Weimar – Polizei und Staatsanwälte lassen immer mehr Telefone von Verdächtigen abhören. Der Präsident des Bundesgerichtshofs, Klaus Tolksdorf, hat dies nun kritisiert: Die Überwachung habe ein bedenkliches Ausmaß erreicht, sagte er am Mittwoch in Weimar auf dem 20. Deutschen Richter- und Staatsanwaltstag.

Die Folge seien teilweise überlange Verfahren, weil die Ermittler sehr lange zur Auswertung der Datenmengen bräuchten. Das System stoße „an seine Grenzen“. Laut der aktuellsten Telefonüberwachungsstatistik des Bundesamts für Justiz wurden im Jahr 2009 bundesweit gut 20.000 Überwachungen angeordnet.

Auf dem 20. Richter- und Staatsanwalttag, der nur alle vier Jahre stattfindet, diskutieren bis zum Freitag rund 1.000 Juristen über aktuelle rechtspolitische Fragen.

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Bild: dapd
BGH-Präsident warnt vor „neuer Lust am Strafen“

Weimar (dapd). Der Deutsche Richterbund fordert von der Bundesregierung schnell ein neues Gesetz zur Speicherung von Telefon- und Internetverbindungen. Die Vorratsdatenspeicherung sei wichtig zur Verfolgung schwerster Straftaten wie Menschenhandel und Kinderpornografie, sagte Verbandschef Christoph Frank am Mittwoch in Weimar auf dem Deutschen Richter- und Staatsanwaltstag. Häufig seien diese Daten der einzige Ermittlungsansatz. Der Gesetzgeber müsse daher „zeitnah“ verfassungsgemäße Regelungen verabschieden.

Das Bundesverfassungsgericht hatte das Gesetz zur sechsmonatigen, anlasslosen Speicherung sämtlicher Telefon-, Handy- und E-Mail-Daten vor gut einem Jahr für verfassungswidrig erklärt. Aus Sicht der Richter mangelte es an der Datensicherheit und an Angaben, wofür sie gebraucht werden. Seit Monaten streiten die Koalitionspartner CDU/CSU und FDP über eine Neuregelung. Die zugrunde liegende EU-Richtlinie wird zurzeit umfassend von der EU-Kommission überprüft.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die ihre Teilnahme nachmittags kurzfristig absagte, wirbt inzwischen für eine mildere Variante, nämlich das sogenannte „Quick-freeze-Verfahren“, also das „Schockfrosten“ von Daten. Dabei sollen Strafverfolger bei einem Anfangsverdacht die routinemäßige Datenlöschung stoppen können, bis sie einen richterlichen Beschluss erlangt haben.

Die Ministerin argumentiert, die frühere unterschiedslose und umfassende Speicherung der Telekommunikations-Verkehrsdaten von über 80 Millionen Bürgern habe erheblich in „grundrechtlich besonders geschützte und höchst sensible Lebensbereiche“ eingegriffen.

Der Präsident des Bundesgerichtshofs (BGH), Klaus Tolksdorf, sagte, die Karlsruher Richter hätten die Rechtsfragen geklärt. Nun müsse politisch entschieden werden.

Er kritisierte zudem, dass Polizei und Staatsanwälte immer mehr Telefone von Verdächtigen abhören lassen. Die Überwachung habe ein bedenkliches Ausmaß erreicht. Die Folge seien teils überlange Verfahren, weil die Ermittler sehr lange zur Auswertung der Datenmengen bräuchten.

Laut der aktuellsten Telefonüberwachungsstatistik des Bundesamts für Justiz wurden im Jahr 2009 bundesweit gut 20.000 Überwachungen angeordnet.

Der thüringische Justizminister Holger Poppenhäger kritisierte das Modell der Justizministerin. Der SPD-Politiker nannte das „Quick-Freeze“-Verfahren unzureichend. Er sprach sich für eine umfassende Speicherung aus. Ermittler sollen die Daten nach seiner Meinung aber nur abrufen und auswerten dürfen, wenn der Verdacht auf „schwerste Straftaten“ vorliege. Denkbar sei aus seiner Sicht aber, die alte Sechsmonatsfrist zu verkürzen.

Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nannte die Vorschläge der Justizministerin ungenügend. „Wenn wir den Terrorismus und andere Formen der Schwerkriminalität effektiv bekämpfen wollen, führt kein Weg an der gesetzlichen Verankerung von Mindestspeicherfristen von Verbindungsdaten vorbei“, erklärte er. Seit einem Jahr herrsche Stillstand. „Das Bundesministerium der Justiz muss sich endlich bewegen“, verlangte er.

Richterbund-Chef Frank warnte zudem vor einem drohenden Ansehensverlust der Justiz in der Bevölkerung. Laut einer neuen Allensbach-Studie glaube nur noch jeder Vierte, dass alle Bürger vor Gericht gleich sind. Auf Unverständnis im Volk stießen zudem Entscheidungen, dass Kündigungen wegen eines unterschlagenen Pfandbons von 1,30 Euro für rechtens befunden werden. Vor diesem Hintergrund müsse die Justiz ihre Entscheidungen unbedingt nachvollziehbar und verständlich abfassen und den Bürgern auch erklären.

BGH-Präsident Tolksdorf rügte die Flut neuer Strafrechtsgesetze und warnte vor einer „neuen Lust am Strafen“. Viele neue, teils hochkomplexe Tatbestände seien selbst für Praktiker kaum mehr überschaubar. Es gebe fast keinen tagespolitischen Skandal, auf den nicht die Forderung nach härteren Strafen oder verschärften Gesetze folge. Viele Politiker sähen das Strafrecht zu Unrecht als Allheilmittel, beklagte er.

Umgekehrt liegt nach Ansicht des BGH-Präsidenten aber in der praktischen Strafverfolgung vieles im Argen. Tolksdorf beklagte, dass Richter und Staatsanwälte zu viele Verfahren vorzeitig einstellen, gegen Zahlung einer Geldstrafe oder wegen geringer Schuld. Wenn dies auch bei Prozessen wegen millionenschwerer Steuerhinterziehung geschehe, wecke dies zurecht den Argwohn der Bürger.

Auf dem Richter- und Staatsanwalttag, der nur alle vier Jahre stattfindet, diskutieren bis zum Freitag rund 1.000 Juristen über aktuelle rechtspolitische Fragen.

Verschlüsselung geknackt

Handys abhören – leichter als Sie glauben

Lange galt das GSM-Netz als relativ abhörsicher – wegen seiner 64-Bit-Verschlüsselung. Das scheint nun vorbei zu sein.

Ganz unumstritten war die in GSM-Handy-Netzen verwendete Verschlüsselung A5 seit 1999 nicht, als sie erstmals geknackt wurde. Allerdings glaufte man, das Abhören sei kompliziert und wegen der kostspieligen Decrypting-Hardware Geheimdiensten und anderen großen Organisationen vorgehalten – einmal davon abgesehen, dass ein solcher Lauschangriff grundsätzlich gesetzeswidrig ist.

Auf einer Spezialausgabe der Black Hat mit dem Schwerpunkt Wireless Security in Washington haben nun David Hulton und Steve Muller eine von ihnen patentierte Technik vorgestellt, wie Hacker mit nur 1000 Dollar teurem FPGA-unterstütztem Computer-Equipment (FPGA = Field Programmable Gate Array) und einem Frequenz-Scanner GSM-Telefonate auch über große Entfernungen und innerhalb einer halben Stunde knacken können. Investiert man 100.000 Dollar in Hardware, werde die Zeit für die Entschlüsselung dank Massiv-Parallel-Prozessoren-Technik laut Hulton auf eine halbe Minute verkürzt.

Sein Arbeitgeber, der High-Performance-Computing-Spezialist Pico Computing, entwickelt gerade die schnellere Version, um sie für 200.000 bis 500.000 Dollar an verschiedene Organisationen – etwa zur Strafverfolgung – zu verkaufen. Die Software für die langsamere Variante soll dagegen kostenlos abgegeben werden. „Wenn Regierungen und andere Organisationen mithilfe von Millionen-Dollar-schweren Investitionen bereits jetzt unsere Handy-Gespräche abhören können, warum nicht auch der Nachbar nebenan?“, so der Kommentar von Mitentwickler Muller, Mobile-Security-Experte bei Cellcrypt.

Die „Attacke“ nutzt die Art und Weise aus, wie Telefonate in GSM-Netzen aufgebaut werden. So genügen die weltweit einmalige Mobilfunknummer IMSI (International Mobile Subscriber Identity) und die Seriennummer des Geräts (IMEI) – diese erhält man bereits durch eine SMS-, um Gespräche von diesem Handy zu isolieren. Das anschließende Knacken des Schlüssels wird durch den Umstand erleichtert, dass zum Beginn des Telefonats ein – bereits bekanntes – Textschema verwendet wird. Steht genügend Rechenleistung zur Verfügung, kann die Verschlüsselung mit Hilfe mathematischer Tabellen entziffert werden. Eine detaillierte und technisch profundere Erklärung findet sich hier. (mb)

Quelle : http://www.pcwelt.de/